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Pflichten gegenüber Muslimen (1.Teil) - Al Ghazali
Bismillahir rahmanir rahim
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen
Von den Pflichten gegenüber Muslimen – Al Ghazali
Die erste Pflicht
Die erste Pflicht besteht darin, dass du das, was du dir selber nicht wünschst, auch keinem
Muslim wünschest. Der Gesandte Gottes spricht:
„Die Gläubigen sind alle wie ein Leib; wenn eines seiner Glieder leidet, so merken es alle
anderen Glieder und leiden mit.“ Und weiter: „Wer dem Höllenfeuer entrinnen will, der sehe zu,
dass ihn der Tod auf dem Bekenntnis des Glaubens finde, und dass er keinem Muslim etwas
tue, was er sich selbst nicht getan wissen möchte.“ Moses sprach: „O Herr, wer ist der
gerechteste deiner Diener?“ Gott antwortete: „Wer den anderen
so behandelt wie sich selbst.“
Die zweite Pflicht
Die zweite Pflicht besteht darin, dass du keinem Muslim mit Hand und Mund kränkst.Der
Gesandte Gottes sagte einst: „Wißt ihr, wer ein rechter Muslim ist?“ Sie antworteten: „Gott und
sein Gesandter wissen es besser.“ Er sagte: „ Der, vor dessen Hand und Mund die Muslime
sicher sind.“ Sie sagten: „Wer ist dann ein Gläubiger?“ Er sagte: „Der, vor dem Gut und Blut der
Gläubigen sicher sind.“ Und weiter sagte er: „Es ist nicht recht, einem anderen einen Blick
zuzuwerfen, der einen Muslim verletzt; und es ist nicht recht, etwas zu tun, wodurch ein Muslim
in Angst gerät und sich fürchtet.“
Mudschahid sagt: „Gott lässt über die Verdammten der Hölle Krätze und Räude kommen, dass
sie sich kratzen müssen, bis die Knochen herauskommen. Dann ruft eine Stimme: „Wie
bekommt euch diese Kränkung?“ Dann sagen sie: „Hart ist sie.“ Dann spricht die Stimme: „Das
ist für die Kränkung, die ihr den Muslimen auf Erden zugefügt habt.“
Und der Gesandte Gottes sagte: „Ich sah einen Mann sich nach Herzenslust im Paradiese
ergehen, dafür, dass er einen Baum aus einem Wege geschlagen hatte, damit er keinem
Muslim lästig werde.“
Die dritte Pflicht
Du sollst dich über keinen Muslim hochmütig erheben, denn Gott hasst die Hochmütigen.Der
Gesandte Gottes spricht: „Es wurde mir offenbart: Sei demütig, so dass sich keiner vor dem
anderen brüstet.“
Darum pflegte der Gesandte Gottes mit den Witwen und Armen zusammenzugehen, um für
ihre Bedürfnisse zu sorgen. Du sollst keinen Menschen mit verächtlichen Blick ansehen, denn
du weißt nicht, ob du nicht einen Heiligen Gottes vor dir hast, denn Gott hält seine Heiligen
verborgen, damit ihnen niemand den Weg verlegt.
Die vierte Pflicht
Du sollst nicht auf das hören, was der Verleumder über einen Muslim sagt, denn man soll nur
auf das Wort der Rechtschaffenen hören, der Verleumder aber ist ein Übeltäter. Es heißt in
einer Überlieferung: „Kein Verleumder kommt ins Paradies.“ Und du musst dir klarmachen,
dass der, der vor dir über andere übelredet, auch vor anderen übel von dir reden wird. Du
musst dich von ihm fernhalten und ihn als Lügner betrachten.
Die fünfte Pflicht
Du sollst einem Menschen, mit dem du bekannt bist, nicht länger als drei Tage grollen. Der
Gesandte Gottes sagt. „Es ist nicht recht, dem Bruder Muslim länger als drei Tage zu grollen.“
Der Bessere ist immer der, der zuerst wieder grüßt. Ikrima (Berühmter Überlieferer und
Rechtsgelehrter, gest. 106 der Hijrah, 724 n.Chr.) sagt: Gott sprach zu Josef: „Ich habe deinen
Namen und Rang deshalb erhöht, weil du deinen Brüdern verziehen hast.“ Es heißt in einer
Überlieferung: „Dadurch, dass du dem Bruder sein Unrecht verzeihst, erhöht sich deine Ehre
und vermehrt deine Größe.“
Die sechste Pflicht
Du sollst jedermann, da, wo du kannst, Gutes tun und keinen Unterschied machen zwischen
Guten und Schlechten. Es heißt in einer Überlieferung: „Tue Gutes jedem , dem du es tun
kannst; ist er der Wohltat unwürdig, so bist du ihrer würdig.“ Und weiter: „Nächst dem Glauben
besteht die Vernunft darin, dass man den Menschen Freundlichkeit erweist und ihnen wohltut,
gleichviel, ob sie fromm sind oder nicht.“ Abu Hureirah
sagte: „Wenn einer die Hand des Propheten ergriff, um mit ihm zu reden, so pflegte er sie ihm
nie zu entziehen, bis jener sie von selbst losließ; und wenn einer ihn anredete, so wandte er
ihm sein Gesicht zu und wartete, bis er ausgeredet hatte.“
Die siebente Pflicht
Du sollst die Alten ehren und zärtlich gegen die Kinder sein. Der Gesandte Gottes sagt: „Wer
nicht die Alten ehrt und sich der Kinder nicht erbarmt, der gehört nicht zu uns.“ Und weiter:
„Ehrerbietung gegen das graue Haar ist Ehrerbietung gegen Gott.“ Und weiter: „Wenn immer
ein Jüngling einem Greise Ehrerbietung erweist, so bestimmt Gott einen Jüngling, der ihn in
seinem Alter ehrt.“ Darin liegt eine Verheißung für ein langes Leben, denn dass einem
Menschen Ehrung im Alter zuteil werden soll, bedeutet, dass er ein hohes Lebensalter
erreichen wird, um so jenes Lohnes teilhaftig zu werden. Freundlich zu sein gegen Kinder aber
war eine Gewohnheit des Gesandten Gottes. Wenn er von einem Feldzuge zurückkam und ihm
die Knaben entgegenliefen, so hielt er an und ließ sich die Knaben auf den Sattel heben und
setzte einen vor sich und einen hinter sich und befahl auch seinen Gefährten, ein gleiches zu tun.
Dann prahlten die Knaben voreinander, und der eine sprach zum anderen: „Mich hat der
Gesandte Gottes vor sich sitzen lassen und dich nur hinter sich,“ oder: „Dich hat er nur hinter
einem seiner Gefährten sitzen lassen.“
Man brachte auch die Kinder zum Propheten, damit er ihnen Namen gäbe und für sie betete,
und dann pflegte er sie auf den Schoß zu nehmen. Manchmal aber kam es vor, dass ein Kind
sein Bedürfnis verrichtete und man ihm zuschrie, dass es aufhören solle. Dann sagte er:
„Lasset es nur zu Ende machen und stört es nicht,“ und wusch sich auch nicht vor den
Angehörigen, damit sich nicht verstimmt würden, sondern wusch sich erst ab, wenn sie draußen
waren.
Die achte Pflicht
Du sollst allen Muslimen ein fröhliches Gesicht zeigen und jedermann mit heiterer Miene
begegnen. Der Gesandte Gottes sprach: „Gott liebt die Umgänglichen, die ein fröhliches
Gesicht zeigen.“ Und weiter: „Umgänglichkeit, heitere Miene und freundliche Rede sind ein
gutes Werk, das Vergebung der Sünde erwirkt.“ Anas (Anas ibn Malik, berühmter Gefährte des
Propheten und Überlieferer, gestorben um 92 d.H., 92 n.Chr.) erzählt: „Einst trat eine arme Frau
dem Gesandten Gottes in den Weg und sprach: „Ich habe dir etwas zu sagen.“ Da sagte er:
„Setz dich hier hin, wo du willst, damit ich mich zu dir setze“ und setzte sich mit ihr auf der
Straße nieder und ließ sie alles erzählen, was sie zu sagen hatte.“
Die neunte Pflicht
Du sollst keinem Muslim das gegebene Wort brechen. Denn es heißt in der Überlieferung:
„Drei Dinge gibt es, die beweisen, dass ein Mensch ein Heuchler ist, mag er noch soviel beten
und fasten; das sind lügen, ein gegebenes Wort brechen und ein anvertrautes Gut
veruntreuen.“
Die zehnte Pflicht
Du sollst jedem die Ehre erweisen, die seinem Stande zukommt. Dem Manne, der unter den
Leuten einen höheren Rang einnimmt, dem sollst du auch die höhere Ehre erweisen. Zuweil
kann man den Mann von höherem Stande daran erkennen, dass er bessere Kleider trägt und
auf einem Pferd reitet und in einem reichen Aufzug erscheint.
Als Aischa einst auf einer Reise sich zur Mahlzeit niedersetzte, kam ein Bettler vorbei; da sagte
sie: „ Gebt ihm ein Brot.“ Dann kam ein Mann auf einem Pferd vorbei, da sprach sie: „Ladet ihn
zum Mahle ein.“ Da sagte man zu ihr: „Den Armen lässt du vorübergehen und diesen Reichen
lädst du ein?“ Da sagte sie: „Gott hat jedem Menschen einen Stand gegeben; diesem Stand
müssen auch wir gerecht werden. Der Arme freut sich über ein Stück Brot, aber es wäre
unschicklich, auch den Reichen so zu behandeln, wir müssen vielmehr so an ihm handeln, dass
auch er sich freut.“
Es heißt in der Überlieferung: „Wenn zu euch einer kommt, der einen Ehrenrang bei seinem
Volke einnimmt, so ehrt ihn.“ Einem solchen Manne gab einst der Gesandte Gottes seinen
Mantel, damit er sich darauf setzte.
Und ebenso sollst du den ehren, der alte Rechte auf ich hat.
Es wird überliefert, dass den
Gesandten Gottes einst die Amme, die ihn gesäugt hatte, besuchte. Da bereitete er ihr seinen Mantel aus und sprach: „Sei willkommen, meine Mutter!“
und ließ sie auf seinem Mantel sitzen
und sprach: „Willst du für jemanden Fürsprache einlegen, so soll sie dir gewährt sein, willst du
bitten, so soll dir gegeben werden.“ Sie sagte: „Mein Stamm!“ (Der Stamm der Bani Sa´d,
gegen den der Prophet kurz vorher einen Kriegszug unternommen hatte.) Da sprach der
Prophet: „Mein Recht und das Recht der Bani Haschim gegen sie soll dein sein.“ Da standen
die Leute von allen Seiten auf und sprachen: „Auch unser Recht, o Gesandter Gottes.“ Darauf
schenkte er ihr seinen Beuteanteil von den Ländereien von Chaibar, den sie dann um tausend
Drachmen an Uthman verkaufte.
Die elfte Pflicht
Du sollst danach trachten, Frieden zu stiften zwischen denen, die sich verfeindet haben. Der
Gesandte Gottes sprach: „Soll ich euch sagen, was besser ist als Beten und Fasten und
Almosengeben?“ Sie sagten: „Ja, sage es“ Er sprach: „Das Friedenstiften zwischen den
Muslimen.“ Anas erzählt: „Einst saß der Gesandte Gottes und lächelte. Da sagte Umar zu ihm:
„Bei meinem Vater und meiner Mutter, o Gesandter Gottes, warum lächelst du?“ Da sprach der
Gesandte Gottes: „Zwei Leute aus meiner Gemeinde fallen vor dem Herrn der Ehre aufs Knie,
und der eine spricht: „Herr verschaffe mir mein Recht von diesem Manne, er hat unrecht an mir
getan!“ Da spricht Gott zu dem Angeklagten: „Gib ihm, was sein Recht ist.“ Spricht der Mann:
„Alle meine guten Werke, o Herr haben meine Gegner fortgenommen; nun habe ich keine mehr
übrig.“ Dann spricht Gott zu dem Kläger: „Was soll er tun, er hat keine guten Werke mehr!“ Der
Mann erwiderte: „ So lass ihn meine Sünden übernehmen.“ Dann werden ihm die Sünden jenes
Mannes auferlegt, doch es bleibt noch immer Unrecht auf seiner Seite übrig. Hier gingen dem
Boten Gottes die Augen über, und er sprach: „ Ja, das ist ein schrecklicher Tag, an dem die
Menschen es nötig haben, dass ihnen die Last ihrer bösen Taten abgenommen wird.“ Dann
fuhr er fort: „Da spricht Gott zu dem Kläger: „Ich sehe Städte aus Silber und Schlösser aus Gold
, die mit Edelsteinen und Perlen besetzt sind, Für welchen Propheten, Frommen oder
Blutzeugen sind sie bestimmt?“ Spricht Gott: „Für den, der den Preis dafür bezahlt.“ Spricht
jener: „Herr, wer mag den Preis bezahlen?“ Spricht Gott: „Du selbst.“ Sagt jener: „Womit, o
Herr?“ Spricht Gott: „Damit, dass du diesem Bruder vergibst.“ Da sagt der Mann: „Herr, ich
vergebe ihm.“ Dann spricht Gott: „So steh auf und nimm die Hand deines Bruders und gehet
beide ein ins Paradies.“ Dann sprach der Gesandte Gottes: „Fürchtet Gott und versöhnet die
Menschen miteinander, denn Gott selbst versöhnt die Muslime am jüngsten Tage.“
Die zwölfte Pflicht
Du sollst die Fehler und die Blöße der Muslime bedecken. Es heißt in einer Überlieferung:
„Wer in dieser Welt über die Muslime eine Decke bereitet, über dessen Sünden wird Gott am
Jüngsten Tage eine Decke breiten.“ Abu Bakr sagt: „Sooft ich einen Trinker oder einen Dieb
ertappe, wünsche ich, dass Gott ihre Schande bedecken möchte.“
Der Gesandte Gottes sprach: „O ihr, die ihr mit der Zunge den Glauben bekennt, aber im
Herzen keinen Glauben habt, führt nicht üble Nachrede gegen die Menschen und spürt nicht
ihrer Blöße nach, denn wer die Blöße eines Muslims aufdeckt, dessen Blöße deckt Gott auf und
stellt ihn bloß, hätte er sein Tun auch im Innersten seines Hauses versteckt.“
Ibn Mas´du berichtet: „Ich erinnere mich, wie der erste Dieb vor den Gesandten Gottes gebracht
wurde, damit ihm die Hand abgeschlagen würde, da erbleichte der Gesandte Gottes. Man sagte
ihm: „Hast du etwas dawider?“ Er antwortete: „Wie sollte ich nichts dawider haben! Soll ich der
Helfer des Satans sein in der Feindschaft gegen meine Brüder? Wenn ihr wollt, dass Gott euch
verzeiht und eure Sünde vergibt und zudeckt, so deckt auch ihr die Sünde der Leute zu. Denn
wenn sie einmal vor den Herrscher gebracht ist, dann muss die Strafe vollzogen werden.“
Umar ging eines Nachts in der Stadt umher, um nach dem Rechten zu sehen. Da hörte er aus
einem Hause Gesang. Er stieg über das dach ins Haus und fand einen Mann, der mit einem
Frauenzimmer Wein trank. Da sprach er zu ihm: „O du Feind Gottes, hast du gewähnt, dass
Gott dir eine solche Sünde verborgen halten würde?“ Da sprach jener: „Gemach, o Fürst der
Gläubigen, wenn ich eine Sünde gegen Gott getan habe, so hast du drei getan.
Es heißt im Kitabullah:
„Spioniert nicht! (Sure 49:12)“, du aber hast spioniert; und es heißt weiter: „Tretet
in die Häuser ein durch ihre Türen! (2:185)“ du aber bist über das Dach hereingekommen; und
es heißt: „Betretet keine fremde Häuser, bevor ihr um Erlaubnis gebeten und ihre Bewohner
begrüßt habt! (24:27)“ du aber bist hereingekommen ohne Erlaubnis und hast nicht gegrüßt.“
Da sprach Umar: „Wenn ich dir verzeihe, wirst du dich danach bessern?“ Da sprach jener: „Ja,
ich will es nie wieder tun.“ Da verzieh er ihm, und jener kehrte sich zur Besserung.
Der Gesandte Gottes sagt: „Wer heimlich horcht, was die Leute hinter seinem Rücken sagen,
dem wird am Jüngsten Tage geschmolzenes Blei in die Ohren gegossen werden.“
Wird weiter fortgesetzt......
Und Gott und sein Gesandter saw. wissen es am Besten!
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